
Heute wäre Erich Mielke 100 Jahre alt geworden. Die Personenbeschreibung befindet sich auf dem Schwesterblog DIE TROMMLER-ARCHIV.
DIE TROMMLER hat sich in der Ausgabe vom Mai 2016 mit den Ostbüros der Parteien und des DGB beschäftigt.
DER SPIEGEL 29/1966 hat dazu einen zwar verschwurbelt geschriebenen, aber ehrlichen Artikel veröffentlicht. Damit hat sich auch DIE TROMMLER beschäftigt.
Im Jahre 1990 hat DER SPIEGEL 25/1990 sich erneut mit dem Ostbüro der SPD beschäftigt. Wieder verschwurbelt geschrieben. Aber doch werden die Fakten ehrlich benannt.
Hier nun die Aussagen des Artikels in bearbeiteter und ausgewerteter Form.
Kurz vor dem erfolgreichen Ende der Konterrevolution, die DDR wurde bekanntlich am 03.10.1990 annektiert, hat sich DER SPIEGEL vom 18.06.1990 nochmal mit dem Ostbüro der SPD befasst.
Zunächst wird die damalige Agentendrehscheibe Berlin beschrieben, wo sich Agenten aus aller Herren Länder tummelten. Dann erfolgt ein Rückblick auf das Ostbüro der SPD, das ja nichts anderes, als eine Agentenzentrale war. Doch ist es eine Besonderheit, dass neben anderen Parteien und des DGB, hier nun die SPD Geheimdienstaufgaben wahrnahm.
Offiziell(durch einen Vorstandsbeschluss) ist das Ostbüro der SPD nie definiert worden. So ranken sich Jahre nach Gründung und Auflösung allerlei Gerüchte darum.
Westliche Geheimdienstler verspotteten das Ostbüro der SPD, während die SED in der DDR diese Agentenzentrale als ernsthaften Gegner einstufte.
An der Aufklärung der Aktivitäten des Ostbüros war man in der SPD nicht interessiert. In Parteidarstellungen fehlt die Beschreibung des Ostbüros. So bei der „Sozialistischen Konferenz in Kopenhagen“ 1950, mit den SPD-Delegationsmitgliedern Herbert Werner, Erich Ollenhauer und Karl Mietmann. In der „Chronik der Deutschen Sozialdemokratie“ fehlt ebenso die das Ostbüro der SPD. Es sind ohnehin kaum Quellen vorhanden. Die Archivbestände sind teilweise gesperrt, vernichtet oder verbrannt.
Der Bochumer Politikwissenschaftler Wilhelm Bleek ist ehrlich. Laut seinem Urteil hat die SPD diesen Teil ihrer Geschichte verdrängt. Auch der Historiker Dietmar Petzina ist ehrlich. Er schreibt, dass die Sozialdemokraten dieses Stück Vergangenheit „verdrängt“ hätten und dass es aus dem „kollektiven Gedächtnis der Sozialdemokratie weitgehend verschwunden“ sei. Dabei wird auf die Zeit der „Entspannungspolitik“ bezog genommen und dieses Stück Antikommunismus als peinlich vermutet. Nun ja, es ist wohl eher eine Frage der Strategie. Dann als Konfrontation nichts mehr brachte, ging man zur indirekten Strategie über, die schließlich zum Erfolg führte.
Erst 1990 ist an der Ruhr-Universität Bochum die erste wissenschaftliche Arbeit zu diesem Thema erschienen. Die Dissertation des Autors Wolfgang Buschfort ist widersprüchlich. Einerseits hält er viele Sabotage- und Spionagevorwürfe für „eindeutig unbegründet“, andererseits gibt er zu, dass die SPD, aus ihrem Interesse her gesehen, keinen Grund hat, ihre Geheimhaltung aufzugeben. In seiner 591-Seiten-Arbeit kommt er zu folgendem Befund:
So, dass das Ostbüro der SPD mit westlichen Geheimdiensten zusammenarbeitete, im Rahmen seiner „Inlandsaufklärung“ „politische Extremistengruppen“(gemeint sind Kommunisten u.a. Linke) infiltrierte und Informationen über Millionen von DDR-Bürgern sammelte, um nach dem Ende der DDR(dass ja seitens der BRD schon immer zu Disposition gestanden hat) ein „besseres Nürnberg“(Bei den Nürnberger Prozessen haben Nazis und Kriegsverbrecher vor Gericht gestanden. Es ist eine Verhöhnung der Opfer des Faschismus hier die DDR und deren politisch Verantwortlichen mit den Nazi-Tätern gleichzustellen.)
zu ermöglichen, um die politisch Verantwortlichen der DDR, hier als „stalinistische Helfer“ bezeichnet, einer „radikalen Bestrafung“ zuzuführen. Dann wird noch erwähnt, dass Kuriere und V-Leute in den illegalen „Propagandakampf gegen das Ulbricht-Regime“ geschickt wurden und Hunderte gefasst und zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden.
Nach der Vereinigung von SPD und KPD 1946, die in der alten BRD, sowie heute von der offiziellen Geschichtsschreibung als „Zwangsvereinigung“ dargestellt wird, wollte Kurt Schumacher(Rechter Sozialdemokrat der alten BRD) das nicht auf sich beruhen lassen. Er ging davon aus, dass die deutsche Teilung eine Frage der Zeit sei. Allerdings hat er letztendlich Recht behalten, aber mit seinen Methoden hatte er keinen Erfolg. Schuhmacher entwickelte die „Magnettheorie“. Je attraktiver die „freiheitlich-soziale Entwicklung“ im Westen, desto stärker der Druck der Bürger im Osten auf die russische Besatzungsmacht mit der Folge des baldigen Anschlusses.
Um die „politischen und ökonomischen Überzeugungen des demokratischen Sozialismus(der Sozialdemokratie P.R.) an den Mann bringen zu können, schuf der Ober-Sozi im Jahr der Zwangsvereinigung ein neues Parteiinstrument. Zu den Aufgaben der Stabsstelle gehörte es auch, sich um Zonenflüchtlinge zu kümmern und deren Wissen abzuschöpfen. Deshalb hieß es leicht irreführend, „Flüchtlingsbetreungsstelle Ost“.“ , so verschwurbelt der Wissenschaftler Buschfort. (siehe dazu DIE TROMMLER)
Aus der englischen Emigration heimgekehrte Sozialdemokraten hatten ihrem damaligen Parteichef den ehemaligen Lagersprecher des Antifaschisten-Camps Ascot, Stephan Grzeskowiak, empfohlen. Schumacher fand Gefallen an dieser Person. Grzeskowiak begann am 01.07.1947 als zweiter Mann, im Herbst 1948 wurde er Büroleiter. Er gab sich den Tarnnamen „Thomas“. Nachdem sein Pseudonym gelüftet wurde, gab er seinen alten Namen auf und nun war sein offizieller Name Stephan G. Thomas.
Bei der von der SPD verrichteten Geheimdienstarbeit ging man unprofessionell vor. Knapp zwei Jahre nach Thomas´Berufung wurden viele der Agenten enttarnt, verhaftet und zu hohen Strafen verurteilt. Buschfort lamentiert über die damaligen Knastbedingungen. Ob diese zu jener Zeit in der BRD, Westberlin und anderen Ländern besser waren, ist zu bezweifeln. Es gab Wichtigeres aufzubauen, als moderne Knäste.
Der Artikel beschreibt weiter geheimdienstliche Aktionen des SPD-Ostbüros. DER SPIEGEL gibt offen zu, dass das Ostbüro der SPD als Hilfstrupp des BND agierte. Auch Sozialdemokraten aus anderen Ländern erhalten Informationen seitens des Ostbüros der SPD. Bei Dänemark war dies besonders erfolgreich, denn Alfred Weber(Deckname „Wandel“), der erste Chef der SPD-Ostbüro-Außenstelle, hatte zuvor für den dänischen Geheimdienst gearbeitet.
Um SPD-Mitglieder etwa unter den Teilnehmern aus der BRD der Weltjugendspiele 1955 in Warschau aufzuspüren, setzte sich auf Weisung des SPD-Ostbüros ein DDR-Bürger in Marsch, Auftrag: Fotos der Teilnehmer zu besorgen, zwecks Identifizierung. Gegen erkannte SPD-Mitglieder wurden Parteiordnungsverfahren eingeleitet.
Was auf diese Weise zu ermitteln war, gab die Parteispitze nicht selten ebenfalls weiter. Ostbüro-Erkenntnisse gingen an das Bundesamt für Verfassungsschutz, ans Düsseldorfer Landeskriminalamt oder ans 14. Kommissariat der Bonner Polizei, die Abteilung für politische Delikte. Solche Kooperation, urteilt Autor Buschfort, belege die„halbstaatliche Stellung des Ostbüros“. Buschfort erkennt nun wissenschaftlich die Tatsache, dass das SPD-Ostbüro ein Hilfsorgan der obergenannten Institutionen war.
Das Ostbüro der SPD wurde aus Steuergeldern finanziert.1956 erhielt die SPD-Abteilung – ähnlich wie die vergleichsweise unbedeutenden Ostbüros der CDU und der FDP – aus dem Bonner Etat etwa 300 000 Mark; über die Vergabe von weiteren Bundesmitteln – Höhe unbekannt – entschied statt des Haushaltsausschusses in geheimer Sitzung ein parlamentarischer Fünferausschuss. Grund: Die Geldwege des Ostbüros galten als „Geheimsache“.
Zehn Jahre später, 1966, wurde das Büro aufgelöst. die Errichtung des Antifaschistischen Schutzwalls hat die weitere geheimdienstliche Tätigkeit des SPD-Ostbüros unmöglich gemacht und somit beendet. Herbert Wehner, einer der Wegbereiter der „Entspannung“, also der neuen Strategie, sprach nun verächtlich vom „Agentenschuppen“.
Mehrere Agenten des SPD-Ostbüros, die in der DDR im Knast saßen, verklagten die Partei auf Schadensersatz und Verdienstausfall. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschied, „derjenige, der einen solchen politischen Widerstandskampf führt“, handele „erkennbar auf eigenes Risiko“.
Einige der Verantwortlichen des SPD-Ostbüros machten später Karriere. Thomas wurde, nach einem Zwischenspiel bei der Friedrich-Ebert-Stiftung, in Köln Chefredakteur des Deutschlandfunks, Richard Lehners (Deckname: „Hein“) Innenminister in Niedersachsen. Eberhard Zachmann („Müller“) übernahm die Leitung des Berliner Verfassungsschutzes, der Ex-Kurier Winfried Busch den gleichen Posten in Hannover. Zwei gingen zum BND.
Auch Helmut Bärwald, Nachfolger von Thomas und letzter Leiter des in „Referat Wiedervereinigung“ umbenannten SPD-Ostbüros, arbeitete später für die den BND. Er belieferte den Geheimdienst mit Interna aus der SPD – als „Sonderverbindung SV 55202“.
entnommen aus DER SPIEGEL 25/1990, bearbeitet und ausgewertet von Petra Reichel
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